Zitat von
U. Rahnke
Wenn ich bei Wäschers war, habe ich Herrn Krause nicht immer gesehen, vermutlich war er mit dem Lettering der nächsten Hefte beschäftigt. Bei unserer ersten Begegnung machte Herr Wäscher uns bekannt. Herr Krause begrüßte mich nur sehr kurz. Weitere Wortwechsel hatte ich auch danach nicht mehr mit ihm. Er kam aus einem gegenüberliegenden Zimmer mit fertig bearbeiteten Seiten (Hintergrund), legte sie an ihren Platz auf den Fußboden, nahm die nächsten drei oder vier Seiten auf und verließ das Zimmer wortlos. Dabei bemerkte ich seine Gehbehinderung. Als Jugendlicher habe ich die kurzen Begrüßungen so hingenommen, heute weiß ich, dass es dafür Gründe gibt. An einen Wortwechsel zwischen Herrn Krause und Herrn Wäscher erinnere ich mich leider nicht. Aus meiner Sicht funktionierte die Zusammenarbeit gut, es ging zügig voran - nur halt “ohne Worte”. Manchmal hat Herr Wäscher mir Dinge erzählt, die ich damals vielleicht nicht immer richtig verstanden habe. Wenn Herr Wäscher seinen Zeichenfederhalter aus der Hand legte und sich zu mir drehte, dann wusste ich, dass es wichtig war. Einmal hatte Herr Krause mehr Geld für seine Arbeit gefordert. Herr Wäscher war damit nicht einverstanden und er erklärte mir seine Gründe. Das „stille“ Arbeitsklima hatte nichts mit Krauses Forderung zu tun, das hatte ich schon lange vorher bemerkt. Auch wenn der Arbeitsablauf für die Piccolohefte gut funktionierte, das Klima war nicht gut. Wie schade, Herr Wäscher war ein so freundlicher und aufgeschlossener Mensch.
Herr Krause hat sogar 3 Tage in der Woche gearbeitet. Ich meine, dass Herr Wäscher es mir selbst gesagt hat. Darum stelle ich mir heute den damaligen Arbeitsaufwand und -umfang noch einmal vor, um sicher zu sein, dass ich mich richtig erinnere. Allein das Lettering der wöchentlich erschienenen Hefte war sehr zeitaufwendig. Herr Wäscher hatte mir einmal gezeigt, wie mit dem “Lineal auf Rollen und mm-Skala” eine Lineatur angefertigt wird. Geschick und ein besonderes Augenmaß waren nötig. Ich hatte es bei meinen Bildergeschichten selbst ausprobiert.
Warum erinnerte sich Herr Wäscher dann aber nur an einen Tag pro Woche von Herrn Krauses Mitarbeit?
Ich habe 2 Erklärungen dafür.
1: Um die Zusammenarbeit mit Herrn Krause möglichst weit aus der Erinnerung zu streichen. (Dann war das Arbeitsklima wirklich schlimm!)
2: Für uns - die allererste Generation von Wäscher-Verehrern, ist das von ihm “Erschaffene” so genial, dass Herr Wäscher Schwierigkeiten im Umgang mit uns hatte. Bei meinem letzten Besuch in Scheuen hat er mit mir darüber gesprochen. Erst Jahre später, Herr Wäscher arbeitete bereits mit Norbert Hethke zusammen, wird er sich an seine Popularität gewöhnt und sie auch angenommen haben (hoffentlich!). Irgendwann sind die Wäschers umgezogen, unser Kontakt für immer abgebrochen. Trotz Erklärungen gab mir Herr Hethke Wäschers neue Adresse nicht. Alle Berichte etc. konnte ich zum Glück in der Sprechblase verfolgen. Aus seinen Interviews habe ich hin und wieder eine (seine!) Bescheidenheit herausgehört, die die Fans lieber anders beantwortet gehört hätten. Obwohl Herr Wäscher bis oben hin mit Arbeit eingedeckt war und er einen Mitarbeiter zur Hilfe hatte, ausgerechnet in dieser “schlimmsten” Zeit kam ich auch noch dazu, habe an seiner Tür geklingelt, durfte eintreten und ihm viele Jahre bei der Arbeit zusehen.
Unsere Bewunderung für diese Arbeitsbewältigung sah Herr Wäscher anders. Die Arbeit muss ihm große Freude gemacht haben - war aber auch Broterwerb. Wenn ich an die Zeiten bei Wäschers denke - und besonders an diese spezielle Zeit, dann fällt mir auf, dass ich Herrn Wäscher nicht einmal “tief Luft holen” gehört habe. Diese ungewöhnliche Vitalität und Kreativität Herrn Wäschers könnte ein Genie vielleicht dazu verführen, fremde Hilfe nicht anzuerkennen, zu mindern oder gar zu leugnen.
Lesezeichen