Zitat von
kormoran
Ich habe mir jetzt erst den sechsten Band der GA zu Gemüte geführt, nachdem ich schon seit Jahrzehnten begeistert von der eigentlichen Serie (also Bände 1-5 der GA) bin -- mit dem ersten Band habe ich irgendwann zwischen 1995 und 1999 angefangen, und seither gehört diese Serie in meine Top xy. Der Zweiteiler um Eusebius ist ein bisschen weniger turbulent und gaglastig als die Kernserie. Ich hatte stark das Gefühl, dass Ayroles hier schon sehr mit den Themen vom Indienschwindel beschäftigt war. Die sozialen Verhältnisse, Herrschaft, Intrige, Unterdrückung, Gaunerei und Verbrechen rücken in den Vordergrund, und wie in der Kernserie und später auch im Indienschwindel folgt Ayroles der Idee des barocken Welttheaters -- mit Masbou hat er dabei einen hervorragenden Bühnenbildner und Regisseur. Die Hauptfigur könnte aus einem Stück von Molière mit dem Namen "Der unheilbare Moralist" oder "Der merkbefreite Optimist" stammen. Diese wird mit allerlei Gaunern, Mördern, Intriganten, Despoten konfrontiert, gegen die der stets hoffnungslos unterlegene Hase Eusebius stets seine moralische Weltsicht behauptet, wodurch ein sehr komischer, aber auch sozialkritisch melancholischer Effekt entsteht. Außerdem greift Ayroles auch noch zum barocken Sujet des Verkleidungs- und Verwechslungsdramas, da die Handlung vor allem der zweiten Hälfte unter anderem auf den Verwirrungen basiert, die dadurch entstehen, dass Eusebius' zwielichtiger Bruder ihm auf ein Haar gleicht. Selbst mit einer Puppe des Puppentheaters wird er zuweilen verwechselt, eine für Ayroles typisch selbstreferenzielle Volte des Theatermotivs. Solche Elemente sowie die vielen Anspielungen auf die Kernserie, aber auch auf Rostands Cyrano (auch wieder ein Theaterstück, wenn auch nicht aus der Epoche Molières, aber diese ausgiebig aufgreifend) machen einen großen Reiz des Comics aus. (Selbst eine Rollenspielanspielung versteckt sich in einem der Panels, wie ich zu meiner Freude entdeckt habe.)
Trotz oder gerade wegen der Komödienhaftigkeit bleibt bei der Lektüre auch immer ein bisschen echte Sozialkritik hängen, das ist kein Abenteuern nur um des Abenteuerns willen, sondern da schwingt immer auf sehr angenehme und unterhaltsame Weise mit, dass die Autoren sich bei all der historischen Recherche und der Auseinandersetzung mit der (Theater)Kunst des Barock auch Gedanken über die Verfasstheit der Welt machen. Und gleichzeitig funktioniert das barocke Welttheater einwandfrei als flotter, spannender und humorvoller Abenteuercomic. Und Eusebius ist und bleibt zum Knuddeln! Grafisch ist die Knuddeligkeit hinreißend umgesetzt, wird aber nicht zu Tode geritten, sondern erzählerisch klug und sinnvoll dosiert.
Ich kann nur hoffen, dass Ayroles noch weitere Comic-Projekte im Barockzeitalter am Start hat. So wünsche ich mir meine Comiclektüre. Spannend, unterhaltsam, anrührend, heiter, anspielungsreich und intellektuell anregend.
Lesezeichen